Background
Elisabeth Kübler-Ross (†2004) war eine in der Schweiz geborene Amerikanerin, die sich nach ihrem Medizinstudium in den 1970er bis 1990er Jahren als Psychiaterin hauptsächlich mit dem Umgang mit Sterbenden und mit Trauerarbeit beschäftigt hat. Ihr Phasenmodell und die damit verbundene Veränderungskurve haben ihren Ursprung auch genau hier und beschreiben das emotionale Erleben von Menschen in dieser letzten Phase eines Lebens.
Unabhängig von der wissenschaftlichen Diskussion um das Ursprungsmodell (Anzahl und Validität der Studien) habe ich mich oft gefragt, ob man das Modell bei organisationalen Veränderungen, die ja sehr selten existenziell sind, zugrunde legen sollte.
Wenn es beispielsweise darum geht, dass im Rahmen von Kulturveränderung ein neuer Führungsstil, neue Formen der Kollaboration oder neue Werte Einzug im Unternehmen halten sollen – wer durchläuft da eine Phase der Trauer, wie tief soll da ein Tal der Tränen sein?
Corona: Mittendrin im Phasenmodell
Was wir allerdings momentan erleben, ist zweifellos eine Veränderung, die von einigen auch als existenziell wahrgenommen wird und für manche, aus medizinischer Sicht, leider auch existenziell ist. Und dabei stecken wir mittendrin im bekannten Phasenmodell:
Angefangen hat es mit Corona-Witzen und der Einschätzung, dass Wuhan ja weit weg ist (Phasen 1-3). Dann kam das Virus nach Italien (immerhin ja noch hinter dem Brenner) und die ersten Fälle wurden in Deutschland publik (Na und, wofür haben wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt?). Die Information, dass es ja nur für sehr alte und vorerkrankte Menschen gefährlich sei, hat auch bei manchen die emotionale Welle (Wut) nochmals verlängert.
Die meisten haben heute erkannt, dass die Krise da ist, noch länger da bleiben wird (Akzeptanz) und die Auswirkungen enorm sind und weiterhin sein werden.
Andere haben das Tal der Tränen sogar schon durchschritten und probieren gerade Neues aus. Die bisherigen, unzähligen Beispiele von Solidarität sind ganz sicher auch Anzeichen für ein Befinden jenseits des Tals.
In der Phase der Öffnung/Auflösung werden wir jetzt wohl noch sehr viele neue Erfahrungen machen, vielleicht auch emotionale Rückschläge erleiden, aber irgendwann erkennen, dass es eine neue Normalität gibt. Welche Auswirkungen das auf die Gesellschaft und jeden einzelnen haben wird, bleibt abzuwarten. Ich halte es da mit Mathias Horx, der meint, das alles ganz anders sein könnte – auch im Besseren.
Wo sind die Menschen in ihrer Umgebung, in ihrer Familie, im Unternehmen, bezogen auf Kübler-Ross? Wer ist noch diesseits, wer jenseits des Tals der Tränen? Und wer steckt mittendrin? Eine Frage, die nicht nur theoretisch interessant, sondern beispielsweise für die Interne Kommunikation sehr relevant ist – und über diese Krise hinaus generell wichtig, in vielen Krisen.
Denn so sehr die Länge und Tiefe der Phasen auch vom Veränderungskontext abhängig ist, eines ist klar: in der Abwehrphase hilft kein „Wird-schon-wieder“-Blick nach vorne, sondern das Zuhören und Ernstnehmen der Fragen und Sorgen. In der Phase der Öffnung/Auflösung hingegen gilt es den mit jedem Tag wachsenden Elan zu nutzen, Zuversicht zu verbreiten und zum Ausprobieren neuer Ideen und Aktivitäten zu ermutigen.
Bezogen auf die Interne Kommunikation in Zeiten von Corona bedeutet das:
- Machen Sie Kommunikationsangebote, die den Mitarbeitern in jeder Phase, egal ob Sorge, Abwehr oder Neugier, gerecht werden
- Gerade in den ersten Phasen war das Zuhören und Verstehen-wollen, was Ihre Mitarbeiter auch emotional beschäftigt, wichtig und richtig
- Erst in den Phasen jenseits des Tals der Tränen, ist jetzt langsam Aktivierung, Ermutigung und das Feiern von Erfolgen angesagt
- Akzeptieren Sie, dass die Phasen bei jedem Mitarbeiter unterschiedlich lang und tief ausgeprägt sein können
Und gerade in Zeiten wie diesen: Interne Kommunikation ist mehr als das Vermitteln nüchterner Sachinformationen (Handhygiene, Home-Office-Regeln, Mundschutz), sondern ein sensibel zu setzender emotionaler Beschleuniger oder Bremser im Veränderungsprozess.
In diesem Sinne: bleiben Sie fit, zuversichtlich und sensibel!